Die Pläne der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti für eine Regierungsübernahme sind auch im zweiten Anlauf gescheitert: Vier Angehörige der eigenen Fraktion verweigerten ihr bei einem letzten Probelauf die Stimme. Ypsilantis Vize und innerparteilicher Konkurrent Jürgen Walter sowie die Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts kündigten in Wiesbaden an, Ypsilanti nicht zur Chefin einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung zu wählen. Die Linke sei eine in Teilen extremistische Partei, begründete Everts den Schritt. Sie böten der Fraktion aber ihre weitere Mitarbeit an. Alle vier zählen zum konservativen SPD-Flügel. Dadurch hat die 51-Jährige SPD-Landeschefin keine Chance mehr, sich zur Nachfolgerin des CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch wählen zu lassen. Ypsilanti wollte sich am Dienstag im Landtag zur Wahl stellen und die geschäftsführende Regierung durch ein von der Linken toleriertes rot-grünes Minderheitskabinett ablösen.
Die SPD-Führung in Berlin ist von der Entwicklung in Hessen völlig überrumpelt worden. Es habe im Präsidium "ungläubiges Erstaunen" gegeben, verlautete aus Teilnehmerkreisen. Mit dem Vorgehen der vier hessischen SPD-Politiker habe niemand gerechnet. Ihr Verhalten wurde in der Sitzung als "seltsam und nicht loyal" bezeichnet. Teilnehmer verwiesen aber auch darauf, dass es sich um frei gewählte Parlamentarier handele. Metzger hatte sich der Zusammenarbeit mit der Linkspartei von Anfang an widersetzt und bereits einen ersten Anlauf im Frühjahr zum Scheitern gebracht. Alle anderen SPD-Abgeordneten hatten in einer früheren Probeabstimmung in der SPD-Fraktion Ende September für Ypsilanti gestimmt.
Zudem hatte Walter in den vergangenen Wochen stets betont, er werde Ypsilanti wählen. Am Wochenende vollzog er dann überraschend eine Kehrtwende: Auf dem Parteitag der hessischen SPD erklärte er, er lehne den Koalitionsvertrag ab, an dessen Ausarbeitung er selbst beteiligt gewesen war. Noch vor einer Woche hatte er die Vereinbarung unterstützt. Walter hatte Wirtschaftsminister werden wollen. Dieses Amt sollte jedoch an den SPD-Solarexperten Hermann Scheer gehen. Der Sonderparteitag der SPD hatte am Samstag den Koalitionsvertrag mit über 95 Prozent der Delegierten gebilligt.