„Opel bringt im kommenden Jahr einen Geländewagen”

  • 16. Juni 2005 Eigentlich heißt er Frederick A. Henderson. Doch den Europa-Chef von General Motors nennen alle nur "Fritz", und so steht es sogar auf seiner Visitenkarte. Der so freundlich plaudernde, humorvolle "Fritz" ist verantwortlich für das schärfste Sanierungsprogramm in der Geschichte von Opel und Saab.

    12.000 Menschen werden bis 2007 ihre Stelle verloren haben, 500 Millionen Euro sollen jährlich eingespart werden. Der 45 Jahre alte Amerikaner ist, wie er im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte, zuversichtlich, die europäischen GM-Standorte wettbewerbsfähig zu machen. Befürchtungen der Opel-Mitarbeiter, die GM-Krise in Amerika könnte Auswirkungen auf die Sanierung in Europa haben, entkräftigt Henderson: "Es wird kein zweites Restrukturierungsprogramm geben."

    Herr Henderson, GM streicht in Amerika 25.000 Stellen, sogar von Werksschließungen ist die Rede. Muß jetzt auch in Europa die Sanierung verschärft werden?

    Klare Aussage: Nein, beides ist voneinander zu trennen. Wir müssen in Europa unsere europäischen Probleme lösen, nicht die amerikanischen. GM hat in Europa fünf Jahre lang sehr viel Geld verloren. Deshalb haben wir mit unseren Arbeitnehmern den Zukunftsvertrag ausgehandelt. Und ich kann Ihnen sagen, daß wir bei den Kosten in diesem Jahr gute Fortschritte gemacht haben. Es muß keinen zweiten Restrukturierungsplan geben.

    Also schließen Sie weitere Entlassungen aus.

    "Noch nicht ausgelastet": im Opel-Werk Rüsselsheim
    Bis Ende dieses Jahres werden wir in Europa 10.000 Stellen abgebaut haben. Das werden wir ganz sicher erreichen. Zusätzliche betriebsbedingte Kündigungen wird es in diesem Jahr definitiv nicht geben.

    Und auch eine Werksschließung ist kein Thema?

    Nein. Das Restrukturierungsprogramm, mit dem wir unsere Kosten jährlich um 500 Millionen Euro reduzieren, läuft bis Ende 2006, und in der Zeit wird es auch keine Werksschließung geben.


    "Verkauft sich prächtig": Opel Meriva
    Manche Experten sagen, GM hat in Europa für den gegenwärtigen Marktanteil eindeutig zu viele Werke.

    Ich muß nicht jede Expertenmeinung teilen. Solchen Einschätzungen Außenstehender halte ich unsere Fortschritte entgegen. Natürlich ist unser Werk in Rüsselsheim noch nicht ausgelastet, auch arbeitet Trollhättan in diesem Jahr signifikant unter seiner Kapazitätsgrenze. Aber nur auf die reine Auslastung der Werke zu schauen, springt zu kurz. Als großer Automobilhersteller brauchen Sie in mehreren Ländern Standorte, um Europa zu bedienen. Wir sind auf gutem Wege, die westdeutschen Opel-Werke auf das Produktivitätsniveau des ostdeutschen Werks in Eisenach zu bringen. Auch arbeiten wir an der Flexibilität, um künftig in allen Opel-Werken mehrere Baureihen fertigen zu können.

    Aber Sie haben nicht die richtigen Autos, um die Fabriken auszulasten...


    "Erhält viel Lob": Saab 9-3
    ...warten Sie mal unsere neuen Produkte ab. Der neue Astra und der Meriva verkaufen sich schon heute prächtig, der neue Zafira oder der Saab 9-3 Sportkombi erhalten überall viel Lob. Und die nächste Generation des Opel Corsa, ein ganz wichtiges Auto für uns, wird unseren Werken in Saragossa und Eisenach gewiß Auftrieb geben.

    Alles, was Spaß macht, müssen potentielle Opel-Kunden bei anderen Herstellern kaufen.


    "Sicher kein freudloses Auto": Opel GTC
    Nicht ganz. Ein GTC mit Panorama-Frontscheibe und Turbo-Motor ist sicher kein freudloses Auto. Ein Speedster oder ein 3-Liter-V6-Diesel sicher auch nicht. Zudem wird Opel schon im kommenden Jahr einen sportlichen Geländewagen auf den Markt bringen. Die Kunden schätzen die Größe, die Flexibilität, das Design solcher Sport Utility Vehicles.

    Ist der Neue eine Gemeinschaftsproduktion von Opel und Saab und als Konkurrenz zum VW Touareg gedacht?


    Nur eine Studie: Opel Insignia
    Nein, unser SUV wird unterhalb des Touareg positioniert werden. Und er ist keine Gemeinschaftsproduktion mit Saab. Er wird als Opel-SUV einem breiten Kundenkreis angeboten werden.

    Im Massenmarkt sind die Margen geringer...

    ...einverstanden. Aber der Massenmarkt macht in Europa 60 Prozent des Volumens aus. Entsprechend groß sind die Stückzahlen, die Opel erreichen kann.


    "Arbeite sehr gern für ihn": GM-Chef Rick Wagoner
    Auf der IAA vor zwei Jahren hat Opel die vielbeachtete Oberklasse-Studie Insignia gezeigt. Warum hat Sie der Mut verlassen, das Auto auch auf die Straße zu schicken?

    Wir denken in der Tat darüber nach, ein Modell oberhalb des Vectra und des Signum zu bauen.

    Wann fällt die Entscheidung?

    Lassen Sie uns erst die Entscheidung treffen, dann werden Sie es erfahren. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, daß wir an etwas Besonderem arbeiten, nicht an einer klassischen Stufenhecklimousine, sondern an einer innovativeren Karosserieform. Es kann etwas von vielem sein, Kombi, Limousine, Coupe. Ein Crossover-Konzept, das Sie von Opel ja auch schon vom Signum mit seinem variablen Innenraum kennen.

    Der Signum verkauft sich aber nur in homöopathischer Dosis.

    Ich gebe zu, die Verkaufzahlen sind nicht da, wo wir sie gerne hätten. Dennoch ist der Signum ein tolles Auto, ich fahre es selbst sehr oft und sehr gerne. Unsere anderen Baureihen finden mehr Absatz. Wir gehören zu den Herstellern, die seit Jahresbeginn deutlich gewinnen. Wie gesagt, vor allem unser Astra verkauft sich in vielen Ländern Europas hervorragend, auch der Meriva läuft gut, und der neue Zafira wird die Verkaufzahlen im zweiten Halbjahr deutlich steigern.

    Was passiert bei Saab?

    Saab braucht ebenfalls neue Modelle. Einen Anfang haben wir mit dem 9-3 Sportkombi gemacht...

    ...mit dem Sie reichlich spät auf den Markt kommen.

    Ja, aber früher ging es nicht. Und jetzt haben wir das Auto, und ich bin davon überzeugt, daß es erfolgreich sein wird. Außerdem planen wir für Saab zwei SUV, die auf dem nordamerikanischen Markt eingeführt und vermutlich auch dort gebaut werden sollen. Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, daß Saab heute schon 30 Prozent seines Absatzes in Nordamerika macht.

    Und in Trollhättan läßt GM den Cadillac BLS bauen. Das dürfte zuwenig sein für das schwedische Werk.

    Niemand hat gesagt, daß wir in Trollhättan eine Ein-Produkt-Strategie fahren. Seien Sie versichert, daß es ein Produktprogramm geben wird mit entsprechenden Kapazitäten.

    Ihr Konkurrent Chrysler hat in Europa die Verkäufe enorm gesteigert, indem er amerikanische Autos eingeführt hat. Der schwache Dollar hat dabei geholfen.

    Das muß nicht immer funktionieren. Natürlich können wir unsere Premiummarke Cadillac durch Importe stützen. Aber der Cadillac BLS aus Trollhättan hat für GM noch eine zusätzliche Bedeutung. Es ist der erste, aktuelle Cadillac mit Dieselmotor.

    Kommt GM nach der Scheidung von Fiat die Dieselkompetenz abhanden?

    O nein! Die Dieseltechnologie ist nun bei der GM-Powertrain-Organisation in Turin gebündelt. Auch haben wir strategische Personaleinstellungen vorgenommen. An den modernen JTD- und SDE-Dieselaggregaten besitzen wir gemeinsam mit Fiat das geistige Eigentum. Der sehr erfolgreiche 1,3-Liter-Diesel im Corsa und Meriva wird im polnischen Bielsko-Biala gebaut, an dem GM nun 50 Prozent hält.

    Herr Henderson, Sie sind jetzt seit einem Jahr in Europa. Zeit für ein Zwischenfazit.

    Wir haben gute Fortschritte gemacht. Die Zukunft unserer Marken Opel und Vauxhall ist geklärt, und auch Saab ist eng an GM angebunden. Daneben haben wir die Partnerschaft mit unseren Händlern verbessert. Wir haben die Kosten dramatisch gesenkt und gleichzeitig die Geschwindigkeit in unseren Entscheidungsprozessen erhöht. Dann haben wir die Frage mit Fiat gelöst und uns klar für die Märkte in Zentral- und Osteuropa aufgestellt.

    Hört sich nach einer einzigen Erfolgsgeschichte an. Aber machen Sie nicht noch Verluste?

    Wir sind noch nicht profitabel, aber wir arbeiten daran, es zu werden.

    Wann denn?

    Das sage ich Ihnen, wenn wir es erreicht haben. Noch einmal: Ich mache keine Ankündigungen.

    Was war Ihre größte Enttäuschung im vergangenen Jahr?

    Ganz klar das niedrige Wachstum in Europa. England entwickelt sich noch ganz gut, Frankreich, Italien und Spanien sind schon schlechter, und Deutschland hat nun wirklich gar kein Wachstum.

    GM-Chef Rick Wagoner steht eine harte Auseinandersetzung mit der amerikanischen Gewerkschaft UAW bevor. Wie waren für Sie als Amerikaner die Erfahrungen mit der deutschen Mitbestimmung?

    Das war kein Hindernis. Im Gegenteil, sogar eine Hilfe. Denn die deutschen Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat haben, nachdem die Verhandlungen abgeschlossen waren, das GM-Management bei einer wichtigen Aufgabe unterstützt: Sie haben den Arbeitern glaubhaft vermittelt, daß die einschneidenden Maßnahmen notwendig sind und geeignet, die europäischen GM-Standorte wieder auf Kurs zu bringen.

    Wenn Sie GM in Europa 2006 wieder in die Erfolgsspur zurückbringen, müßte Ihr nächster Karriereschritt doch die Nachfolge von Rick Wagoner sein, oder?

    Auf diese Frage erhalten Sie von mir keine Antwort. Rick Wagoner ist mein Boss, und ich arbeite sehr gerne für ihn.

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