uneingeschränkte Haftung für Forenbetreiber

  • Urteil bestätigt uneingeschränkte Haftung für Forenbetreiber

    Mit einer weiteren höchst umstrittenen Entscheidung der 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg endete das Verfahren, das von dem Betreiber des "Supernature"-Forums", Martin Geuß, angestrebt wurde, um Rechtssicherheit für Forenbetreiber zu erreichen. Nach dem nun im Volltext vorliegenden Urteil vom 27. April 2007 (Az. 324 O 600/06) haftet der Betreiber eines Internetforums grundsätzlich und auch ohne Kenntnis für sämtliche dort eingestellte Beiträge. Dieselbe Kammer des LG Hamburg hatte bereits mit der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen des heise-Foren-Urteils für erhebliche Rechtsunsicherheit im Netz gesorgt.

    Hintergrund des Verfahrens war eine Abmahnung, die der Forenbetreiber Anfang 2006 hinsichtlich mehrerer Postings auf seinem Board erhalten hatte. Die Abmahnung nahm in ihrem Text Bezug auf das seinerzeit noch nicht einmal schriftlich begründete und in der Berufung später stark eingeschränkte "heise-Foren-Urteil" des LG Hamburg. Geuß reagierte auf diese Abmahnung seinerseits mit einer Gegenabmahnung. Obwohl die Gegenseite daraufhin erklärte, die Ansprüche nicht weiter zu verfolgen, erhob der Forenbetreiber eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel, "allen Forenbetreibern in Deutschland ein Stück Rechtssicherheit zu geben". Insbesondere wolle man sich bestätigen lassen, dass "der Heise-Fall individuell und nicht auf andere Foren übertragbar" sei. Finanziert wurde die Klage durch eine von Geuß initiierte Spendensammlung.

    In der nun vorliegenden Urteilsbegründung hält das Landgericht Hamburg zwar fünf der sechs durch die Abmahnung angegriffenen Postings hinsichtlich des abmahnenden Unternehmens für rechtmäßig, darunter auch Äußerungen wie "Penner" und "Betrügerfirma". Für eine Äußerung stehe der Beklagten jedoch ein Unterlassungsanspruch zu. Der Kläger müsse sich als Störer die Verbreitung dieser Äußerung zurechnen lassen, denn sie waren über ein von ihm unterhaltenes Internetforum öffentlich zugänglich gemacht worden.

    Für die Störereigenschaft reiche bereits das bloße Verbreiten einer unzulässigen Äußerung aus. Nicht erforderlich sei, dass der Verbreiter selbst hinter den rechtswidrigen Inhalten stehe oder sie gar verfasst habe. Auch komme es nicht darauf an, ob es sich dabei um eigene oder fremde Informationen handele oder ob der Anbieter davon Kenntnis habe. Ausreichend sei bereits, dass der Betreiber für deren Verbreitung seinen eigenen Internetauftritt zur Verfügung stelle. Eine Haftung könne nach Auffassung der Richter allenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn sich der Betreiber der Internetseite von der betreffenden Äußerung nicht pauschal, sondern konkret und ausdrücklich distanziere.

    Im Übrigen ergebe sich eine Haftung bereits daraus, dass es sich bei einem Internetforum grundsätzlich um ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot im Sinne des neu geschaffenen Paragrafen 54 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) handele. Danach sind Nachrichten vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.

    Vor der Entscheidung waren Geuß und der ihn vertretende Anwalt heftig dafür kritisiert worden, den Rechtsstreit ohne Notwendigkeit ausgerechnet in Hamburg anhängig zu machen. Das nun vorliegende Urteil geht in seiner Begründung sogar noch über die Forderungen hinaus, die die 24. Zivilkammer des LG Hamburg im Falle des heise-Forums erhoben hatte. Bereits diese Entscheidung war seinerzeit in der juristischen Literatur übereinstimmend als unhaltbar kritisiert und von der Berufungsinstanz auch wesentlich eingeschränkt worden.

    Rechtlich höchst fragwürdig und kaum mit dem Gesetzeswortlaut und den Entscheidungen des BGH vereinbar ist nach der Einschätzung von Juristen in dem nun vorliegenden Urteil die völlige Gleichsetzung von eigenen und fremden Inhalten auf Websites. Überaus fragwürdig erscheint auch die Einordnung von Internetforen als journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags.

    Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Ob die Parteien gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen, ist noch nicht bekannt. (Joerg Heidrich) / (anw/c't)

    quelle

  • Hallo zusammen,

    unglaublich was so mache Richter für Urteile fällen. Wenn dieses Urteil rechtkräftig werden sollte, werden die kritischen Beurteilungen der Händler entfernt und nur noch POSITIV Meldungen für eure Partner aufgenommen.

    Viele Grüße
    Eric

    Guten Morgen, Eric !

    jetzt sind wir halt auch im Forum dort angekommen, wo wir bei Arbeitszeugnissen schon lange sind; die Umschreibung einer Situation wird nun wohl zur Kunst werden. Oder für die Fälle hier im Forum : Kein Eintrag einer Werkstatt = Finger weg. Keep it simple!

    Und da Sarkasmus nun auch eine Form der Agression ist, werden wir damit in Zukunft auch vorsichtig sein müssen; vielleicht gibt es dazu auch dann bald ein neues Gesetz.......( macht unser Innenminister bestimmt möglich :eek: )

  • Vieleicht sollte man dann ein Notensysthem einführen. Bei einer Verteilung von Note 1-6 hätte Kelsterbach sicherlich ne glatte 7 verdiehnt.
    Oder wie Thomas vorschlägt: Sie bemühten sich, den Kundenwünschen gerecht zu werden (schafften es aber leider nie)
    Schon traurig, oder?
    Ben

  • .... ein trauriges Urteil... Ich kenne den Richter hier aus Hamburg und habe auch schon meine schlechten Erfahrungen machn müssen. Letztlich ist nur zu hoffen, dass höhere Instanzen hier wieder "Klarheit" schaffen. Es kann nicht angehen, dass Bereitstellung eines Forums gleichgesetzt wird mit der Verantwortung für eigene Aussagen.

    Etwas mittelbarer fortgeführt, könnte bald auch VOLKGSWAGEN dafür abgemahnt werden, wenn ich im Dicken den Stinkefinger in einer ausweglosen Verkehrssituation einem anderen Verkehrsteilnehmer zeige....

  • Das in keinster Weise nachzuvollziehende Urteil ist mal wieder ein schlagender Beweis für die Bemühungen der deutschen Gerichtsbarkeit sinnvolle Urteile zu fällen. Hätte sich besagte/r RichterIn nur einmal die wirkliche Mühe gemacht ein aktives Forum für ein paar Stunden zu beobachten, dann wäre RichterIn sicherlich von etwas anderem überzeugt gewesen. :eek:

    Bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil noch in sich zusammenbricht.

    gruß
    Heinz

  • Auf den erste Blick finde ich dieses Urteil ebenso unglaublich und schwer nachzuvollziehen wie ihr auch, wenn ich allerdings die Begründung durchlese, basiert diese Entscheidung ja auf einem anderen (neuen?) Gesetz, dass Internetforen irgendwie mit Rundfunkanstalten gleichsetzt und hier ein Redakteur für den Inhalt verantwortlich sein muss.

    Den Vergleich mit Rundfunk finde ich nun gar nicht abwegig, es ist eben eine modernere Möglichkeit, ein sehr großes Publikum zu erreichen und dabei Beiträge aller Art zu senden. Wenn es ein entsprechendes Gesetz für Rundunk- und Printmedien gibt, finde ich es durchaus nachvollziehbar, dieses auch auf das Internet bzw. Internetforen auszudehnen, ob es allerdings ein Gesetz braucht, dass einen ‚Chefredakteur‘ für alle Beiträge in der Presse, Rundfunk usw. als letzte Instanz verantwortlich macht, das kann ich nicht nachvollziehen, solange der Ursprung aller Beiträge klar gekennzeichnet ist (was ja speziell in Internetforen kein Problem darstellt).

    Gruß,

    Frank

  • Auf den erste Blick finde ich dieses Urteil ebenso unglaublich und schwer nachzuvollziehen wie ihr auch, wenn ich allerdings die Begründung durchlese, basiert diese Entscheidung ja auf einem anderen (neuen?) Gesetz, dass Internetforen irgendwie mit Rundfunkanstalten gleichsetzt und hier ein Redakteur für den Inhalt verantwortlich sein muss.

    Den Vergleich mit Rundfunk finde ich nun gar nicht abwegig, es ist eben eine modernere Möglichkeit, ein sehr großes Publikum zu erreichen und dabei Beiträge aller Art zu senden. Wenn es ein entsprechendes Gesetz für Rundunk- und Printmedien gibt, finde ich es durchaus nachvollziehbar, dieses auch auf das Internet bzw. Internetforen auszudehnen, ob es allerdings ein Gesetz braucht, dass einen ‚Chefredakteur‘ für alle Beiträge in der Presse, Rundfunk usw. als letzte Instanz verantwortlich macht, das kann ich nicht nachvollziehen, solange der Ursprung aller Beiträge klar gekennzeichnet ist (was ja speziell in Internetforen kein Problem darstellt).

    Gruß,

    Frank


    Hallo Frank,

    das ist genau der Punkt. In Deutschland will man immer einen Verantwortlichen haben, Einen gegen den man notfalls prozessieren kann. Hierbei wird schon seit längerem der Versuch unternommen die neuen Technologien mit dem Existierenden gleichzusetzen. Allerdings werden dabei wesentliche Aspekte meines Erachtens nicht berücksichtigt. Eine einseitige nationale Betrachtung - auch eine EU-weite Betrachtung - verkennt die Möglichkeiten des Internet: Server und Verantwortliche können im Prinzip irgendwo auf der Erdkugel sein. Den normalen Nutzer braucht das eigentlich nicht zu interessieren, meist kann er es sowieso nicht erkennen.

    Aus praktikabelen Gründen kann ich nun nicht nachvollziehen, wieso wir ein Gesetz brauchen, welches gut geführten Internetforen in Deutschland das Leben schwer macht, aber an Schmuddelforen nicht dran kommt. Dem allgemeinen Interesse müsste es eigentlich ein Anliegen sein, dass es solche intelligent moderierten Foren, wie die Touareg-Freunde gibt. Das neue Gesetz könnte aber dazu beitragen, dass dieses Forum vieleicht verschwindet, weil es nicht mehr praktikabel zu handhaben ist. Alternativ gibt es dann vieleicht gemischte Angebote in Schmuddelforen in Argentinien: Auf der einen Seite Fahrzeugliebhaber, auf der anderen Seite pädophile... :eek:

    Verantwortlichkeit hin, Chefredakteur her. Das Urteil ist für viele "gemeinnützige" (!) Foren nicht wirklich praktikabel. Der Allgemeinheit wird damit schon gar nicht geholfen.

    Hier wurde schon erwähnt, dass es nun keine Negativmeldungen mehr geben darf. Genau das ist aus meiner Sicht ein übles Ärgernis in Deutschland. Statt Leistungen zu bewerten in der sogenannten Leistungsgesellschaft sind wir immer alle bestens. Sei es in Arbeitszeugnissen, sei es z.B. auch in der Schule oder an der Universität. In USA gibt es schon seit Dekaden ein offenes Bewertungssystem für Lehrer und Professoren. Leistung wird belohnt, deshalb strengen sich dort neben den Schülern/Studenten eben auch die Wissensgeber an. Das ist letztlich ein sehr viel erfolgreicheres System, als das verkrustete System hier in Deutschland.

    Ich hoffe, im Sinne dieses und vieler anderer Foren, dass das Urteil nicht bestätigt wird. Allerdings, allzu viel Hoffnung habe ich im Deutschland des Jahres 2007 nicht. :(

    gruß
    Heinz